Jährlich scheitern tausende Unternehmer:innen mit ihren Geschäftsideen. 90% aller Neugründungen verschwinden in den ersten drei Jahren wieder von der wirtschaftlichen Bildfläche. Alle, die nicht sofort eine GmbH gegründet haben - und das sind die meisten - sehen sich danach mit erheblichen finanziellen Problemen konfrontiert, die im schlimmsten Fall in der Privatinsolvenz enden können. Diese Art des Scheiterns ist weder cool noch erstrebenswert.
Was lernen wir aus dem Scheitern von so vielen Unternehmen? Nichts. Wir sagen “Scheitern ist cool” und fordern eine “Kultur des Scheiterns”. Ein Unternehmen oder eine Geschäftsidee in den Sand zu setzen, soll plötzlich eine unternehmerische Kompetenz sein? Jedes Jahr werden tausende Insolvenzen angemeldet, die nicht selten den privaten Ruin für die einstigen Gründer bedeuten. Dabei sind es immer dieselben Gründe, warum eine Idee oder ein Unternehmen scheitert. Warum setzt man sich damit aber nicht auseinander? Das ist so, als ob ein Polizist an der Kreuzung jemanden bei Rot über die Ampel gehen sieht, dabei zusieht, wie dieser von einem Auto angefahren wird und dann sagt: „Immerhin hat er jetzt etwas gelernt!“. Der Polizist könnte dem Fußgänger aber auch einfach vorher raten, bei Rot stehen zu bleiben und bei Grün weiterzugehen. Dann hat dieser auch etwas gelernt, erspart sich aber viele Verletzungen. Genau wie dieser Polizist geht man mit Menschen um, die oftmals grandiose Ideen haben und sich trauen, die Komfortzone zu verlassen, um sich selbstständig zu machen. Und genau diese Leute werden bei ROT über die Ampel geschickt. Und so scheitern 90% aller neu gegründeten Unternehmen in den ersten drei Jahren!
FuckUp-Nights und Lernanlässe
Bei einer FuckUp-Night erzählt ein junger Mann Mitte 20, wie er und sein Team über zwei Jahre lang an einem technischen Gerät gearbeitet haben – nur um dann enttäuscht herauszufinden, dass sein Produkt nicht verkaufbar ist. Ein vergleichbares Produkt aus China wurde um weitaus weniger verkauft, als das eigene in der Herstellung kostete. Eine professionelle Marktanalyse wäre vermutlich die richtige Wahl gewesen, um Zeit, Energie und Geld zu sparen. Das Beste war jedoch, dass dieses Unternehmen sogar einen Preis von ein paar Tausend Euro für das Produkt erhalten hatte, und zwar von einer Fachjury bei einer StartUp-Veranstaltung! Statt aber irgendwann einmal eine Marktanalyse durchzuführen, gaben sich die Gründer dem Traum vom Unternehmertum hin, zusätzlich motiviert durch die tausenden von Euros, die aus öffentlicher Hand stammten. Die Gründer dieses Unternehmens hatten Glück, dass ihre Außenstände nach dem Ende der Unternehmung von Familienangehörigen abgedeckt werden konnten. So ist zumindest kein nachhaltiger finanzieller Schaden entstanden. Aber zwei Jahre Arbeit waren trotzdem dahin. Und natürlich haben die Gründer auch etwas gelernt. Doch dieser Lernprozess hätte nicht zwei Jahre dauern müssen, sondern vermutlich hätte das ein halbwegs kompetenter Unternehmensberater oder Gründercoach in einem halben Tag geschafft.
Über nutzlose Inhalte
Bei einem Gründer-Event einer Kammer werden Speaker:innen eingeladen, die „man halt so kennt von Social Media“, die gerade populär sind und ein entsprechend hohes Honorar verlangen. Einer dieser Speaker betet 0815-Inhalte über Verkauf, der andere eine Zusammenfassung seiner Mindset-Inhalte herunter. Sie wiederholen in jeweils 45 Minuten Inhalte, die auch auf diversen YouTube-Kanälen zu sehen und zu hören gewesen wäre, aber Gründungswilligen auf diesem Event nur bedingt weiterhilfen. Dabei gäbe es viel wichtigere Inhalte, um der 90% Fail-Quote schon im Vorfeld entgegenzutreten.
Das sind, wie leider so oft auf solchen Events, keine sofort umsetzbaren Inhalte für Jungunternehmer:innen! Vor allem kein Content, den Gründer:innen für den Start ihres Unternehmens dringend benötigen würden. Draußen an den Ständen stehen Steuerberater:innen und Bankberater. Die Steuerberater:innen müssen bezahlt werden, damit die Gründer:innen ihre Steuern abführen können. Banken vergeben bekanntlich Kredite nur bei entsprechender Bonität und verlangen dabei mittlerweile wieder horrende Zinsen. Ohne Bonität wird nicht einmal die beste Idee finanziert. Da bleibt dann oft nur der Gang zu Investoren. Nichts gegen Steuerberater, Banken oder Investoren. Aber um ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen benötigt es viel mehr als einen Kredit und eine Steuernummer.
Und aus diesem Grund machen Unternehmer:innen - auch aufgrund fehlendem Unternehmerwissen - später wirtschaftliche Fehler, die schon tausende andere Gründer vor ihnen gemacht haben und die eigentlich leicht vermeidbar wären. Solche Events sind mit dem Schulsystem vergleichbar - auch da lernt man für das spätere Leben eher wenig...
Von Selbstüberschätzung und Naivität
Natürlich stehen Gründer:innen und Unternehmer:innen auch in der Eigenverantwortung. Dies schließt die Pflicht, sich selbst schlau zu machen und sich faktenbasiertes Gründerwissen zu besorgen mit ein.
Nehmen wir TV-Shows wie “Die Höhle der Löwen” oder den österreichischen Ableger “2 Minuten - 2 Millionen” als Beispiel. Man sieht hier viele Personen, die absolut von der eigenen Idee überzeugt sind. Dagegen ist nichts einzuwenden und das ist auch gut so. Aber viele reagieren bei kleinsten Anzeichen von Kritik dünnhäutig und schnell merkt man, dass sie zwar vollends von ihrer Geschäftsidee überzeugt sind, diese aber nicht vollständig auf ihre Umsetzbarkeit überprüft wurde. Mit der entsprechenden Selbstkritik und Eigenanalyse ist es oftmals nicht weit her und gerade das wäre eine Quelle der unternehmerischen Weiterentwicklung.
Gründer:innen kann man nur empfehlen, mit ihrer Idee selbstkritisch umzugehen, alles zu hinterfragen und zu analysieren. Sie sollten sich zudem mit Personen umgeben, welche die Idee ebenso kritisch hinterfragen. Auf diese Weise würden viele angehende Unternehmer:innen bereits im Vorfeld erkennen, dass ihre Idee (noch) kein Business ist. Das wollen jedoch nur wenige wahrhaben. Obwohl es vielen die Chance bieten würde, die eigene Geschäftsidee zu überprüfen, zu verbessern und gleich zu Beginn viel erfolgreicher zu sein.
Wer profitiert von der Kultur des Scheiterns?
Heutzutage kann jeder für unzählige Berufsgruppen ohne hohe Kosten oder Hürden einen Gewerbeschein beantragen und sich den Titel „Unternehmer:in“ auf die eigene Visitenkarte schreiben - ohne Prüfung, oder jeglichem Nachweis darüber, ob man für die Selbstständigkeit überhaupt geeignet ist. Ohne sicherstellen zu müssen, dass man sich die Kosten z.B. für die Sozialversicherung und den Aufbau seines Business leisten kann. Diese unternehmerische Freiheit ist selbstverständlich eine große Errungenschaft und dagegen gibt es nichts einzuwenden. Es profitieren auch viele davon. Zum Beispiel die Kammern, die sich freuen, wenn viele Unternehmen gegründet und Mitgliedsbeiträge bezahlt werden. Der Staat, weil alle die sich selbständig machen nicht in der Liste der Arbeitssuchenden geführt werden. Und auch Investor:innen haben nichts dagegen, wenn viele neue Ideen auf den Markt kommen, in die man investieren könnte. Da Banken ohnehin nur bei entsprechender Bonität finanzieren, wenden sich viele Neugründer:innen bei der Geldbeschaffung an Investor:innen. Doch egal ob Investor:innen, Banken, Kammern oder der Staat - keiner hilft den Unternehmer:innen im Falle des Scheiterns.
Warum scheitern auch nie cool sein wird Mit Akzeptanz für Unternehmer:innen, die mit einer Insolvenz konfrontiert waren, kann man in unseren Gefilden ohnehin nicht rechnen. Egal, wie oft man das öffentlich auch immer wieder einfordert. Nach wie vor werden diese vielerorts geächtet. Hinzu kommen jahrelange SCHUFA-Einträge. Was ist daran cool, wenn man mit seiner Business-Idee scheitert und dann jahrelang keine Kredite mehr bekommt oder kein Telefon anmelden kann? Ja sogar eine Kontoeröffnung kann in solchen Fällen schwierig werden. Man ist finanziell und damit gesellschaftlich gebrandmarkt. Es ist nahezu fahrlässig, Scheitern als Kavaliersdelikt abzutun und Gründer:innen dazu zu ermutigen, blind und ohne entsprechende Kenntnisse in die Selbstständigkeit zu gehen. Alle Institutionen und Einrichtungen, die diese vorab ermutigen, selbstständig zu werden, sind im Falle einer Pleite nicht mehr an ihrer Seite. Und aufgrund dieser Gegebenheiten traut sich auch kaum jemand, öffentlich über sein Scheitern zu reden. Die FuckUp-Nights haben vielerorts richtig viel zu tun, ein bis zwei Unternehmer:innen pro Event zu finden, die über ihr eigenes Scheitern berichten möchten. Man will sich nicht outen.
Erfolgreich sein ist cool!
In Nordamerika sagt man, man muss dreimal scheitern, um als Unternehmer:in anerkannt zu werden... aber, warum nicht dreimal gründen und dreimal erfolgreich sein? Wäre das nicht der bessere Weg?
Konfuzius sagt:
“Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist die edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist die leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist die bitterste.”
Scheitern ist nicht gleich Scheitern Fehler werden immer gemacht und sind menschlich. Selbstverständlich kann es immer wieder passieren, dass unvorhergesehene Geschehnisse ein Unternehmen ins Wanken bringen. Das gehört zum Geschäftsleben einfach dazu. Es gibt Situationen, die zu Pleiten und Schließungen führen, die weder vorhersehbar noch vermeidbar sind. Von diesem Scheitern spreche ich nicht. Ich spreche von Unternehmensschließungen, die auf Fehler zurückzuführen sind, die sehr einfach und mit wenig Aufwand bereits im Vorfeld zu vermeiden gewesen wären und die aufgrund der vielen Pleiten seit Jahren bekannt sind.
Mit der richtigen Vorbereitung und Begleitung junger Unternehmer:innen sind 95% aller unfreiwilligen Unternehmensschließungen vermeidbar.
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